Ausgabe Nr. 40 - Oktober 2002
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Die arme Liga
(von Harald Voß)
Hatten wir im letzten Heft noch darüber spekuliert, so ist sie nun eingetreten: die Kirch-Pleite!
Doch am Ende ist alles nicht so schlimm geworden, wie befürchtet. Kirch-Media ist zwar insolvent, aber sie existiert noch und die Chancen auf einen vollständigen oder teilweisen Verkauf stehen gut. Mehrere Konsortien haben dafür geboten und schließlich erteilte sogar die Deutsche Fußball Liga der insolventen Kirch Media erneut, zu niedrigeren Konditionen als bisher, den Zuschlag für die Bundesliga-TV-Rechte - und das, obwohl ein vergleichbares Konkurrenzangebot von der Tele-München-Gruppe (TM3 / Tele5) vorlag.
So müssen nun alle Vereine mit etwas weniger Fernsehgeld auskommen, als ursprünglich erwartet, doch scheinbar haben die Vereine genau das gebraucht! Plötzlich halten sich die Mega-Transfers der vergangenen Jahre in Grenzen, lediglich Bayern München hat in dieser Saison noch einmal so richtig zugeschlagen - doch die Deals mit Deisler, Ballack und Ze Roberto wurden ja auch schon eingefädelt, lange bevor die Probleme der Kirch Media publik wurden. Stattdessen wurde bei vielen Vereinen der in der Vergangenheit aufgeblähte Kader reduziert, wurden vermehrt ablösefreie Spieler verpflichtet, einige Vereine gingen sogar so weit, die Siegprämien zu kürzen. Nun bekommen mancherorts sogar Nachwuchsspieler aus den teuren Fußball-Internaten, die sich jeder Bundesligaklub per Lizenzauflage halten muss, eine Chance.
Für den Fan hat diese Entwicklung durchweg etwas Positives. Das große Geld der TV-Anstalten fließt nicht mehr von alleine, der Fan wird wieder mehr in den Mittelpunkt gerückt, auf einmal sind auch Zuschauerzahlen wieder interessant und nicht nur die Ablösesummen und Millionen-Gagen der Fußballprofis. Man hat des Gefühl, dass es jetzt wieder ein bisschen mehr um den Sport, nicht nur um das Geschäft geht, eine Entwicklung wurde zumindest gestoppt, die langfristig drohte, die Bindung der Fans zu den Mannschaften zu zerstören. Und natürlich liegt das nicht nur an Kirch. Auch im Ausland gibt es schließlich diese Entwicklung. Die italienische Liga hat unlängst erst mit Verspätung begonnen, weil vor allem die kleinen Vereine keine Fernsehverträge bekommen haben. Auch in anderen Ländern zahlen die Fernsehsender nicht mehr jede Summe, und das hat vor allem einen Grund: Die Marketingspirale ist bereits überdreht, der normale Zuschauer hat genug. Es finden sich immer weniger, die unbedingt jedes Europapokalspiel aller Vereine Europas sehen wollen, immer weniger sind bereit, jedes Jahr aufs Neue die immer gleichen Fanartikel zu erwerben, nur weil jetzt ein neuer Sponsor draufsteht, vielen Fans genügt auch das alte Trikot.
Diese Einsicht hat sich durchaus in den oberen Etagen der Profivereine durchgesetzt, und so gab es in der Vergangenheit auch wieder positive Entwicklungen. Der Bundesliga-Spieltag ist jetzt konzentriert am Hauptspieltag Samstag nachmittag, lediglich die beiden Sonntagsspiele stören noch etwas - aber kein Vergleich zu früheren Zeiten des total zerrissenen Spieltages.
Die aufgeblähte Champions-League wird nun endlich reformiert, die Zwischenrunde fällt demnächst weg, dafür gibt es dann eine Runde mehr im spannenden K.O.-System.
Auch der DFB-Pokal bekommt scheinbar wieder mehr Gewicht. Schieden in den vergangenen Jahren die Vertreter der Bundesliga oft sehr früh aus dem Wettbewerb aus, so konnten sich diesmal bis auf einen alle Erstligisten für die zweite Runde qualifizieren. Unrühmliche Ausnahme war hier leider ausgerechnet Hertha BSC.
Und schließlich: Das Gehaltsgefüge ufert nicht weiter aus, wird vielleicht wieder etwas zurechtgerückt. Früher wurden immer die "leistungsbezogenen" Verträge propagiert - die Entwicklung nach Bosman hat jedoch das Gegenteil gebracht und nicht selten hat der Fan den Eindruck der "satten" Stars, die sich lieber für das nächste Spiel schonen, denn bedingungslos zu fighten, um einen Rückstand noch einmal aufzuholen.
Fazit: Die Vereine müssen zwar sparen, aber das muss nicht zu ihrem Nachteil sein - vorausgesetzt, sie schaffen es, aus zu hoch dotierten langfristigen Verträgen auch wieder herauszukommen. Für den deutschen Fußball wäre es auf die Dauer ohnehin besser, wenn es nicht mehr gelänge, unzählige Nationalspieler auf den Ersatzbänken zu versammeln und auch wieder Nachwuchsspieler in der Bundesliga eine Chance bekommen würden!
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