Ausgabe Nr. 40 - Oktober 2002
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Ehemals im Blickpunkt ... Ein Interview mit Lutz Rosenzweig
(von Harald Tragmann)
Heute wollen wir uns mit einem Ex-Spieler von Hertha BSC beschäftigen, der für den Verein von der Plumpe zu einer Zeit tätig war, an die sich die meisten nur aus Erzählungen oder Büchern erinnern können.
Es geht um Lutz Rosenzweig, der am 28.8.1921 das Licht der Welt erblickte und auf der Mitgliederversammlung von Hertha BSC im November letzten Jahres für seine 65-jährige Mitgliedschaft ausgezeichnet wurde.
Herr Rosenzweig, wann haben Sie mit dem Fußballspielen begonnen und wie sind Sie dann zu Hertha BSC gelangt?
Mein erster Verein war "Vorwärts Wedding", da wir im Wedding wohnten und für meinen Vater, der überzeugter Sozialdemokrat war, nur ein Arbeitersportverein in Frage kam. Als die Arbeitervereine aufgelöst wurden, spielte ich ein Jahr in der Jugendmannschaft des "SV Athen", ebenfalls ein Weddinger Verein. Anschließend zogen wir durch meinen Vater nach Mayen bei Koblenz, wo ich dem "TuS Mayen" angehörte. Als wir dann 1936 nach Berlin zurückzogen, trat ich gleich bei Hertha ein.
Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Jugendzeit bei Hertha?
Ich begann bei der 2. Mannschaft der Junioren, was der heutigen B-Jugend entspricht, und kam nach einem halben Jahr in die 1. Mannschaft. Anschließend kam ich in die A-Jugend, wo ich gleich in die 1. Mannschaft eingestuft wurde. Bei einem Trainingsspiel 1938 auf unserem Platz in Rosenthal durften wir dann gegen die Meistermannschaft der Jahre 30 und 31 um Emil Domscheidt antreten. Da fünf oder sechs von uns bereits in die Herrenmannschaft aufgenommen wurden, dachten wir: "Die schaffen wir". Bis zur Pause führten wir sogar mit 5:0, doch als wir mit stolzer Brust zurück auf den Platz kamen, haben uns die Herren am langen Arm verhungern lassen und noch mit 8:6 gewonnen.
Können Sie sich noch an Ihren ersten Auftritt bei den Herren erinnern ?
Mein erstes Spiel in der 1. Mannschaft der Herren habe ich am 3. Dezember 1939 beim "VfB Pankow" gemacht. Und da habe ich dann in der 30. Minute gleich das erste Tor geschossen. Männe Hahn, der kleine Linksaußen neben mir, schoss das zweite Tor und wir haben dann mit 2:1 gewonnen. Als wir nach Spielende die Kabine aufsuchen wollten, wurden wir vom Pankower Publikum ganz schön bepflastert mit Regenschirmen und so. Von da an gehörte ich zum erweiterten Stamm der ersten Mannschaft.
Haben Sie noch mit Hanne Sobek zusammen gespielt?
Als ich mit 18 in die Herrenmannschaft kam, war Sobek schon 39. Zusammen haben wir nur einmal in der zweiten Mannschaft gespielt. Er hat zwar ab und zu mal ausgeholfen, auch in der ersten Mannschaft, aber dort haben wir nie zusammen auf dem Platz gestanden. Wir hatten immer eine starke zweite Mannschaft. Ich werde nie vergessen, wie wir mal gegen Preußen gespielt haben. Von elf Toren, ich glaube wir haben 11:0 oder 11:1 gespielt, habe ich zehn geschossen. Ich war kein großer Techniker, aber ich hatte immer einen scharfen Schuss. Mit Hahn, Kirsei, Völker, Stahr und Wilhelm habe ich aber öfter zusammen gespielt, wie z.B. später auch mit Hawellek u.a.
Welche Erinnerungen haben Sie an die letzten Spiele zum Kriegsende?
An die letzten Spiele kann ich mich leider nicht mehr erinnern, da ich zu dieser Zeit Soldat war. Ich weiß aber, dass Hertha Glück hatte, dass Trainer Hans Sauerwein gute Beziehungen zum Militär in Berlin hatte und somit immer gute Spieler heranholen konnte. In der Saison 1939/40 war Hertha stark abstiegsgefährdet, doch Hans Sauerwein war es gelungen, gute Spieler direkt von der Front auf den Platz zu holen und den Abstieg so zu verhindern. Das Kriegsende war für mich traurig und glücklich zugleich. Meine Frau Ulla hatte uns ein Baby geboren und ich war in den letzten Tagen als Panzersoldat in der Nähe von Rangsdorf stationiert und wir kamen nicht mehr weg, weil unsere Panzer kein Benzin hatten. Im Quartier erreichte mich dann die traurige Nachricht, dass mein Kind verstorben war. Als ich drei Tage Fronturlaub nahm, um mein Kind abzumelden und anschließend wieder zurück nach Rangsdorf wollte, kam ich mit der S-Bahn nur noch bis Westkreuz, weil dort schon sowjetische Soldaten ihre Stellungen errichteten. Zu Fuß bin ich dann den ganzen S-Bahn-Ring zurück nach Wedding gelaufen, während von Weißensee aus die Sowjets schon mit dem Flak in die Stadt schossen. Zu Hause habe ich dann meine schwarze Panzeruniform gegen eine Privatjacke getauscht, war somit Zivilist und hatte das riesige Glück, nicht in Gefangenschaft zu geraten.
Wie haben Sie den Neubeginn nach dem Krieg erlebt?
Wilhelm Wernicke hatte bereits im Mai 1945 die Instandsetzung des Platzes übernommen, der übersät war von Granateneinschlägen. Wir buddelten alles zu und hatten so eine schöne Arbeit, was uns auch die eine oder andere Lebensmittelkarte einbrachte. Ich brauchte aber auch richtige Arbeit und da meine Leidenschaft schon immer der Journalismus war, habe ich mich bei der "Täglichen Rundschau" im Prenzlauer Berg beworben, wo ich dann auch für den Lokalteil schreiben durfte und dort auch den Fußball mit einbezog, womit meine Laufbahn als Sportjournalist begann. Die Vereine waren von der Militärregierung aufgelöst worden und wir mussten bei der Mannschaft in der Straße spielen, wo wir auch wohnten. Ich habe dieses Provisorium zur Zusammenstellung einer Stadtliga beim SG Gesundbrunnen, welcher in etwa die alte Hertha repräsentierte, mitgemacht und wir haben dann die Qualifikation gegen Spandau Altstadt knapp verpasst. Und auch das ganze nächste Jahr habe ich dann auch noch mit Hawellek zusammen für Gesundbrunnen gespielt. Als wir dann einmal bei Oberspree spielten, wurde ich von Karl-Heinz Schulz zu Union Oberschöneweide geholt, wo wir im gleichen Jahr Berliner Meister und Pokalsieger wurden. Fredy Stahr sagte damals zu mir: "Auch wenn Du nicht mehr für Hertha spielst, wirst Du dennoch immer Herthaner bleiben." Und so blieb ich bis heute immer Mitglied. Da ich beruflich sehr eingespannt war und nicht mehr soviel trainieren konnte, ging ich dann zu Grün-Weiß Baumschulenweg, wo wir im Pokalhalbfinale fast Tennis Borussia mit Hanne Berndt geschlagen hätten. Dann habe ich drei Jahre bei Wacker 04 bei den "Alten Herren" gespielt und später wieder bei Herthas "Alten Herren".
Vielen Dank für das interessante Interview, Herr Rosenzweig, ich hoffe, dass wir Ihre Erlebnisse vielen näher bringen konnten.
P.S.: Dem Sportjournalismus blieb Lutz Rosenzweig als langjähriger Redakteur der Zeitung "DER ABEND" und der "Fußball-Woche" immer treu, genauso wie seiner Hertha.
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