anzeige Das Löwen Kompendium - die große Statistik über den Fußball im TSV München von 1860 - jetzt neu erschienen im Verlag Harald Voß
anzeige Die Hertha-Chronik Band 1: Der B.F.C. Hertha 1892 - erschienen im Verlag Harald Voß
Verlag Harald Voß
Wir erinnern uns...

(von Harald Tragmann)

Zum 5. Mal jährt sich dieses Jahr der Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989. Für mich ist dies der eigentliche 'Tag der deutschen Einheit, denn niemand, der diese drei tollen Tage in Berlin miterlebt hat, wird sie wohl je vergessen. Damals herrschte eine Einheitseuphorie, wie man sie wohl nie mehr zu spüren bekommen wird. Aus diesem Anlaß wollen wir uns heute mal an zwei tolle Spiele aus dieser Zeit erinnern.

Es war Herthas Aufstiegsjahr in die 1.Bundesliga und am 11. November sollte im Berliner Olympiastadion das Spitzenderby gegen Wattenscheid 09 stattfinden. An die Öffnung der Grenzen war noch gar nicht zu denken, als die Berliner Nissan-Händler beschlossen, das Spiel mit 150.000,- DM zu sponsorn, um so die Eintrittskarten für 5,- DM verkaufen zu können. Der Ansturm auf die Karten war somit ohnehin schon riesengroß und man rechnete mit 30.000 bis 40.000 Zuschauern, aber keiner hätte sich träumen lassen, was für eine politische Bedeutung dieses Spiel letztendlich erhalten sollte.

Während Pepe Mager kurz zuvor noch angekündigt hatte, 10 Karten an DDR-Flüchtlinge abzugeben, die über Ungarn ausgereist waren, sollte man sich schon bald auf mehr als 10.000 DDR-Bürger einrichten.

Nach den ergreifenden Ereignissen des 9.November erklärte sich Nissan spontan bereit, 10.000 Eintrittskarten für DDR-Bürger an den Kassen zu hinterlegen, um ihnen freien Eintritt zu gewähren. Doch man sollte später feststellen, daß diese nicht ausreichend waren, denn die Hertha-Fans aus dem östlichen Teil Berlins hatten 28 Jahre auf diesen Tag gewartet.

Turbulent war die Nacht vom 9. zum 10.November, und die kommenden Tage sollten ähnlich turbulent bleiben. Die Innenstadt rund um den Ku'damm war bis auf den letzten Zentimeter ausgefüllt und tagsüber herrschte sogar Fahrverbot auf Berlins Prachtmeile. 500.000 Ost-Berliner strömten am Sonnabend durch die Mauer. Also mußte man sich auf eine erschwerte Anfahrt zum Olympiastadion einrichten.

Ich selbst trat die Fahrt von Rudow aus mit der U-Bahn an, doch bereits Möckernbrücke sollte sich der übliche Fahrtablauf abrupt ändern. Die Züge waren schon vorher hoffnungslos überfüllt, doch an dieser Station, wo man damals noch zum Olympiastadion umstieg, ging nichts mehr. Der Bahnsteig in Richtung Innenstadt war überfüllt und wurde vom Personal gesperrt. Also mußte man zunächst eine Station in Gegenrichtung fahren, um anschließend wieder den Bahnsteig zu wechseln.

Mit viel Mühe kam ich gerade noch so ins Abteil, doch bei halbgeöffneten Türen mußte ich die Fahrt bis zum Stadion halb im Zug und halb draußen verbringen. Mein Hinterteil freute sich jedenfalls, weil es ein milder Novembertag war.

Kaum hatte man den Zug verlassen, bot sich ein Anblick wie in besten Bundesligatagen. Alle Wege zum Olympiastadion waren von Menschenmassen erfüllt, wie früher schob man sich in der Masse langsam gegenseitig voran, und schon bald mußte man erkennen, daß die Freikarten nicht ausreichten. Über 30.000 Karten gingen an Westbürger und als bereits eine Viertelstunde vor Anpfiff die 10.728 Freikarten an DDR-Fans vergriffen waren, gab man das Zählen auf. Spontan wurde entschieden, daß ab sofort der blaue DDR-Personalausweis ausreiche. Auf diese Weise strömten tausende Fans ungezählt ins Stadion, und man freute sich über jeden einzelnen von ihnen.

Die offizielle Zuschauerzahl wurde mit 44.174 Besuchern angegeben, doch in Wirklichkeit müssen es fast 60.000 gewesen sein. Ein volles Stadion hatte man schon öfter gehabt, doch dies war kein Spiel wie jedes andere. Ob Spieler, Trainer oder Zuschauer, jeder wußte um die Bedeutung dieses Spieles. Die ganze Weltpresse schaute in diesen Tagen nach Berlin und so gingen die sportlichen Belange fast unter.

Eine ausgelassene und doch besonnene Stimmung war im weiten Rund zu spüren. Es war fast Nebensache, daß Hertha Mühe hatte, mit dem Tabellenführer Schritt zu halten, und man kann noch von Glück reden, daß zwei Tore durch Banach nicht anerkannt wurden, denn sonst hätte man zur Pause schon 0:3 hinten gelegen. Bach erzielte in der 43. Minute den Führungstreffer für die Wattenscheider, und trotz schlechter Leistungen gab es an diesem Tage keine Pfiffe für den Gastgeber, sondern für die Gäste.

Nach der Pause besann man sich bei Hertha doch noch auf seine Tugenden und fand über den Kampf zum Spiel, um die spielerischen Defizite auszugleichen. Und Herthas Anstrengungen wurden schließlich auch belohnt. In der 64. Minute lenkte Torwart Eilenberger einen Kopfball von Halvorsen an den Pfosten und der zur Halbzeit eingewechselte Kretschmer konnte zum 1:1 abstauben.

Was für ein unbeschreiblicher Jubel im Berliner Olympiastadion, als hätte man gerade die Meisterschaft gewonnen. Mit Sicherheit wäre ein Wattenscheider Sieg an diesem Tage hoch verdient gewesen, doch selbst Gäste-Trainer Bongartz war anschließend zwar mit dem Punktverlust nicht ganz zufrieden, bezeichte das Ergebis aber als korrekt, um den Herthanern aus Ost und West den Feiertag nicht zu verderben.

Chaos schließlich auch nach dem Schlußpfiff, als 60.000 Besucher die Straße verstopften und der Mannschaftsbus der Wattenscheider mit Blaulicht zum Flughafen eskortiert wurde. Viele dachten nun, daß eine solche Kulisse in Zukunft zur Regel werden sollte, doch heute wissen wir, daß sportlicher Mißerfolg und die damalige schwierige Finanzsituation der Fans aus dem anderen Teil Deutschlands weitere Rekordkulissen nicht mehr zuließen.

Doch Ausnahmen bestätigen die Regel, wie es so schön heißt und wenn sich denn auch noch ein Sponsor wie die Deutsche Bundespost findet, ist das nächste Fußball-Fest vorprogrammiert. Und so versammelte man sich am 27. Januar 1990 erneut in großer Runde im Olympiastadion und selbst NOK-Chef Willi Daume ließ es sich nicht nehmen, zu einem in dieser Art wohl einmaligen Freundschaftsspiel anzureisen.

Hertha BSC gegen den 1.FC Union - das Berliner Lokalderby überhaupt. Was die Mauer 28 Jahre lang verhindert hatte, wurde nun zur Realität. Oft genug hatte man versucht, in Freundschaft aufeinanderzutreffen, doch die DDR-Staatsorgane lehnten stets ab.

Die Deutsche Bundespost feierte ihr 500jähriges Jubiläum und kaufte alle 76.000 Karten des Berliner Olympiastadions, um sie für 500 Pfennige wieder abzugeben. Der Erlös kam dabei auch noch einem wohltätigen Zweck zugute. Innerhalb von zwei Tagen verkaufte der 1.FC Union 30.000 Karten und mußte nochmals 10.000 Karten nachordern. Auch Hertha setzte nochmals 10.000 Karten ab. Am Ende zählte man 51.270 Fans aus Ost und West bei einem Freundschaftsspiel zweier Zweitligisten, tatsächlich waren es wiederum fast 60.000.

Die langjährige Freundschaft der Anhänger beider Klubs, die trotz Mauer und Stacheldraht bestand, hatte die Massen bewegt. Ein rot-weiß-blaues Fahnenmeer durchflutete das Stadion und Stadionsprecher Waberowski bat die immer weiter nachdrängenden Fans, den hoffnungslos überfüllten Fanblock A nicht mehr zu betreten.

Daß Hertha am Ende 2:1 (1:1) über die damals von Karsten Heine betreute Truppe siegte, interessierte eigentlich die wenigsten, denn sowohl die Tore von Axel Kruse (13.) und Dirk Greiser (82.), wie auch der vorübergehende Ausgleichstreffer von André Sirocks wurden von allen Fans gleichermaßen bejubelt und immer wieder hallte es 'Hertha und Union' durch das weite Rund. Eine Stimmung, wie man sie zuletzt nur nochmal beim Halbfinale der Bubis gegen Chemnitz zu spüren bekam. Die Profis spielten seitdem nie wieder vor solch einer Kulisse im Olympiastadion...







Diese Seiten wurden mit dem "Online-Magazin-Generator" erstellt. "Online-Magazin-Generator" ist ein Produkt der Verlag Harald Voß, Software-Entwicklung.
© 1999, 2006 Verlag Harald Voß