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Verlag Harald Voß
Ist das Klassenziel noch erreichbar?

(von Harald Tragmann)

Seit unserer letzten Ausgabe hat sich viel getan. Bemängelten wir den klassischen Fehlstart nach dem Gewinn des Ligapokals, so startete Hertha eine grandiose Siegesserie, nachdem das Spiel beim HSV im Oktober noch mit 0:4 verloren gegangen war.

Pikanterweise wurde die Siegesserie nach der schweren Verletzung Sebastian Deislers in eben diesem Spiel eingeleitet. Neben vier Bundesligasiegen in Folge konnte auch die Mannschaft von Viking Stavanger in der zweiten Runde des UEFA-Pokal bezwungen werden. Mit einem 1:0 auswärts und einem 2:0 zu Hause zog Hertha in die nächste Runde gegen Servette Genf ein, wo im Auswärtsspiel mit 0:0 zunächst eine gute Ausgangsbasis gelegt wurde. Im fünften UEFA-Cup-Spiel in Folge blieb Hertha ohne Gegentor.

Im DFB-Pokal taten sich die Blauweißen bei Rot-Weiß Erfurt etwas schwerer, konnten sich jedoch in der Verlängerung mit 2:1 durchsetzen. Das Siegtor zu Beginn der Verlängerung erzielte Pal Dardai, der zu dieser Zeit zum Matchwinner avancierte, denn nach einem 1:1 bei Hansa Rostock konnte Dardai auch im Heimspiel gegen den FC Bayern München sechs Minuten vor Schluss den 2:1-Siegtreffer erzielen. Ex-Herthaner Nico Kovac brachte die Bayern in der 46. Minute in Führung und 'Zecke' Neuendorf sorgte in der 71. Minute für den Ausgleich.

Zum Heimspiel gegen Servette Genf rechnete jeder mit dem Einzug ins Viertelfinale, doch wie schon so mancher vorher befürchtet hatte, schienen die Spieler den Gegner nicht allzu ernst zu nehmen und mit 0:3 flog Hertha aus dem UEFA-Cup. Sollte es nun den gleichen Zusammenbruch geben wie in der Saison zuvor nach der Niederlage bei Inter Mailand?

Einem beachtlichen 0:0 in der neuen 'Arena auf Schalke' folgte das Heimspiel gegen Bayer Leverkusen und erneut war es Pal Dardai, der mit seinem 2:1-Siegtreffer für einen Dreipunktegewinn sorgte. Von Einbruch also keine Spur. In der dritten Runde des DFB-Pokal taten sich die Herthaner zwar abermals schwer und mussten nach anfänglichem Rückstand in die Verlängerung, doch erneut konnte sich Hertha mit 2:1 durchsetzen. Wer schoss das siegbringende Tor? Richtig! - Mr. 2:1-Dardai.

Zum Abschluss des Jahres 2001 folgte noch ein 2:2-Unentschieden gegen den FC St. Pauli im Berliner Olympiastadion. Nicht gerade der erwartete Jahresabschluss, doch dafür das neunte Bundesligaspiel ohne Niederlage in Folge und das ohne den noch immer verletzten Sebastian Deisler. So mancher Fan fragte sich, ob wir ihn denn überhaupt noch brauchen, denn zum Zeitpunkt seiner Verletzung kam eine weniger schöne Geschichte ans Tageslicht:

Hatte Deisler kurz zuvor noch verkündet, dass er sich in der Winterpause in aller Ruhe nach sportlichen Gesichtspunkten entscheiden wolle, ob er bei Hertha bleibt oder möglicherweise zu den Bayern wechselt, so prahlten diese nicht nur damit, dass Deisler ab der kommenden Saison in München spiele, sondern in der Zeitung tauchte auch ein Zahlungsbeleg in Höhe von 20 Millionen DM der Bayern auf das Konto von Sebastian Deisler auf - ein von Uli Hoeneß als ‚Darlehen' deklarierter Gehaltsvorschuss auf den möglichen Vereinswechsel. Sebastian Deisler hatte bewusst gelogen, was ihm die meisten Fans bis heute nicht verziehen haben.

Egal, ob es seine eigene Entscheidung war oder diese unter dem Druck seines Beraters entstand, die Tatsache, dass er bewusst die Fans belog, obwohl das Geld schon längst auf seinem Konto war, lässt die meisten Fans an seinem Image des braven Basti zweifeln. Jeder Berliner hätte es verstanden, wenn Sebastian Deisler offen seinen kommenden Wechsel aus sportlichen Gründen angekündigt hätte, aber Lügen für den FC Bayern sind schwer zu verstehen und führten während der Erfolgsserie zeitweise schon zu Rufen wie: 'Ohne Deisler gewinnen wir jedes Spiel.'

Obwohl ihm sicherlich jeder eine baldige Genesung wünscht, fragen sich aber die meisten dennoch, ob es überhaupt noch Sinn macht, Deisler in einer intakten, sich immer besser einspielenden Mannschaft einzusetzen, wenn er in der kommenden Saison ohnehin nicht mehr zur Verfügung steht.

Die Bayern zogen das gleiche Spiel nochmals mit Sebastian Kehl durch, doch diesmal setzte sich die Vernunft durch und Kehl schickte das Geld zurück und wechselte in der Pause nach Dortmund. Auch Deisler gab zwischenzeitlich sein Geld zurück, doch aus rein steuerlichen Gründen, da das Finanzamt nicht so leichtgläubig war und das ‚Darlehen' als Gehaltsvorschuss einstufte, welches entsprechend hätte versteuert werden müssen. Die bis dahin angefallenen Zinsen übersteigen wahrscheinlich immer noch das Jahresgehalt der meisten Fans um ein Vielfaches.

Im Falle Kehl mokierten sich die Bayern über die Dortmunder und sprachen von unlauterem Wettbewerb, doch dass die Münchner nicht nur Verhandlungen vor der offiziellen DFB-Frist aufnahmen, sondern gleich Millionenbeträge überweisen, dass ist ihrer Meinung nach legitim. Ich denke, der normale Zuschauer hat da eine andere Moralvorstellung.

Hertha BSC gab dann bekannt, dass man den zum Saisonende auslaufenden Vertrag mit Jürgen Röber nicht verlängern würde und verkündete kurz darauf die Verpflichtung von Schalke-Trainer Huub Stevens zur neuen Saison. Trotz dieser Mitteilungen sollten die Berliner nach einem erfolgreichen Trainingslager zur Winterpause an die letzen Leistungen anknüpfen, doch es kam anders.

In Dortmund kam Hertha wieder mal unter die Räder und verlor mit 1:3, doch viel schlimmer war die folgende Niederlage im DFB-Pokal. Nachdem Hertha erstmals nach fünf Jahren im Viertelfinale ein Heimspiel zugelost bekommen hatte und das gegen den Abstiegskandidaten 1.FC Köln, träumten alle von einer Finalteilnahme im heimischen Olympiastadion, doch wie so oft gegen die vermeintlich leichten Gegner schien das Team diesen nicht richtig ernst zu nehmen. Nur fünf Minuten fehlten bis zum Einzug ins Halbfinale, doch die Kölner schafften den Ausgleich und konnten in der Verlängerung gar den Siegtreffer erzielen - eine Enttäuschung für die Spieler und die Fans und wieder einmal wurden Kritiken an Trainer Jürgen Röber laut.

Als Hertha dann zu Hause gegen den SC Freiburg lediglich ein 1:1 gelang und das Spiel bei Abstiegskandidat Energie Cottbus mit 0:1 verloren ging, trennten sich Hertha BSC und Jürgen Röber im gegenseitigen Einvernehmen. Die meisten Fans reagierten erbost über diese Entscheidung, doch vergessen wir nicht, dass viele von ihnen auch schon des öfteren 'Röber raus' gerufen hatten. In erster Linie war es natürlich der Schock über die unerwartete Trennung, nachdem ja Dieter Hoeneß verkündet hatte, auf jeden Fall bis zum Saisonende mit Jürgen Röber zusammenarbeiten zu wollen, doch Röber selbst bat um Aufhebung des Arbeitsverhältnisses, in der Überzeugung, die Mannschaft nicht mehr motivieren zu können.

Dieses sollte ein anderer schaffen: Jugendkoordinator Falko Götz, zusammen mit Andreas Thom von den Amateuren als neuem Co-Trainer. Falko schaffte es tatsächlich, die Mannschaft neu zu motivieren und legte einen sensationellen Start hin. Die ersten drei Spiele wurden mit 10:1 Toren allesamt gewonnen und selbst ein schon fast vergessener Alex Alves fand zu alter Spielfreude zurück. Mit drei Stürmern und einem mit allen Freiheiten ausgestatteten Marcelinho dahinter, konnte man bei Hertha sogar wieder Spielkultur entdecken und selbst Michael Preetz kam in diesen drei Spielen nach langer Pause gleich wieder zu vier Treffern.

Die Überraschung schlechthin aber ist Alex Alves, der wieder zeigt, was er wirklich kann und gegen den 1.FC Kaiserslautern sein bisher bestes Spiel im blauweißen Trikot absolvierte. Zwar konnte er kein Tor erzielen, bereitete jedoch die ersten vier Treffer beim 5:1 direkt vor.

Einen kleinen Rückschlag gab es dann zuletzt ausgerechnet beim Tabellenletzten 1.FC Köln, der bis dahin 959 Minuten ohne Torerfolg gewesen war und im Spiel gegen Hertha BSC auf dem besten Wege war, einen neuen Rekord aufzustellen, was ihm schließlich auch mit 1034 gelang, doch Thomas Cichon erlöste schließlich die Kölner und sorgte eine Viertelstunde vor Schluss für den 1:1-Ausgleich. Wieder hatte man den Eindruck, dass die Berliner den vermeintlich leichten Gegner nicht allzu ernst genommen haben. Falko Götz hatte ähnliches schon erahnt und hängte zuvor ein Plakat in die Mannschaftskabine mit der Aufschrift: ' Unser Feind ist die Selbstzufriedenheit.'

Wollen wir hoffen, dass unsere Jungs aus dieser Erfahrung gelernt haben und das Team gefestigt genug ist, um in den nächsten Spielen zu Hause gegen den HSV und anschließend bei Werder Bremen wieder an die Anfangserfolge unter Falko Götz anzuknüpfen, denn dann ist das Minimalziel UEFA-Cup-Platz doch noch drin und selbst die Qualifikation zur Champions-League nicht ganz abwegig.

Zum Schluss sei noch mal angemerkt, dass wir trotz der zuletzt erfolglosen Spiele unter Jürgen Röber unserem nach Helmut Kronsbein am längsten für Hertha aktiven Trainer danken wollen. Trotz aller kritischen Phasen zwischendurch hat er zusammen mit Dieter Hoeneß Hertha wieder dorthin gebracht, worauf wir in tristen Zweitligatagen alle gehofft hatten. Nicht nur, dass wir jetzt in der fünften Saison in Folge Bundesligafußball genießen dürfen, wovon vor zehn Jahren kaum einer zu träumen wagte, so hat er uns auch dreimal hintereinander internationalen Fußball und darunter sogar einmal die Champions-League beschert, was außer Hertha in den letzten drei Jahren nur den Bayern und Leverkusen gelungen ist.

In der jüngeren Geschichte Herthas hat sich Jürgen Röber damit selbst ein Denkmal gesetzt und das wird bei den treuen Hertha-Fans so schnell keiner vergessen.







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