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Verlag Harald Voß
Abenteuerurlaub 2000

oder unterwegs mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft (von Bert Handschumacher)

Totgesagte leben länger, dachte ich mir und habe mir auf allen vernünftigen und unvernünftigen Wegen Eintrittskarten für die Spiele der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der Euro 2000 in Holland und Belgien besorgt. Da ich mit meinen lieben Freunden Tanja und Ingo - den Alemannia-Aachen-Fans - vereinbart hatte, dass ich sie ohnehin im Juni in Aachen besuchen wollte, hatte ich ein strategisch günstiges Quartier, von wo ich in kurzer Zeit jedes Stadion der Euro 2000 erreichen konnte.

Am schwierigsten gestaltete sich die Organisation der Karten für das England-Spiel. Kurz vor Beginn der Euro haben wir dann vier Karten zum Preis zwischen 300 und 600 DM auf dem Schwarzmarkt organisiert. Für das Eröffnungsspiel gegen Rumänien sind mir von einem Fan aus Düsseldorf, der an diesem Tag verhindert war, Karten der Kategorie 1 zu einem Preis abgetreten worden, der unter dem offiziellen Preis lag. Für das Spiel gegen Portugal besorgte Ingo in Lüttich Karten aus dem Restposten, der dort offiziell verkauft wurde. Außerdem hat ein portugiesischer Freund von Tanja und Ingo, Rui, uns alle mit Karten für dieses Spiel vom portugiesischen Fußballverband versorgt.

In der Nacht vom Pfingstsonntag zum Pfingstmontag fuhr ich schließlich nach Aachen, wo mir ein sichtlich verschlafener Ingo die Tür öffnete, mich in das Gästezimmer geleitete, was für die nächsten 14 Tage mein Zuhause sein sollte, und mir eine gute Nacht wünschte.

Am nächsten Morgen wachte ich voller Vorfreude bereits um 7 Uhr 30 auf. Schnell die Kontaktlinsen eingesetzt, geduscht, das Deutschland-Trikot und den Hertha-Freunde-92-Schal angezogen, um sodann die Brötchen für das Frühstück zu holen. Zwischenzeitlich weilten Tanja und Ingo auch wieder unter den Lebenden und es gesellte sich noch der Alemannia-Fan Rolf zu uns. Zu viert machten wir uns in meinem Auto auf den Weg nach Lüttich, das 40 Kilometer von Aachen entfernt liegt. Rolf riet uns, nicht über die Autobahn zu fahren, sondern einen kleinen Grenzübergang in der Stadt zu nutzen, da dort ganz bestimmt keine Kontrollen sein würden. Also taten wir das. An der Grenze angekommen, wurden wir sofort vom Bundesgrenzschutz herausgewunken. "Ausweise und Eintrittskarten bitte!" wurden wir angeherrscht. Wir übergaben die erbetenen Dokumente und beobachteten genüsslich, wie ein rumänischer VW-Bus vom BGS auseinander genommen wurde und offensichtlich zwei Rumänen festgenommen wurden. Die angespannte und leicht aggressive Stimmung auf Seiten unserer Zöllner legte sich, als wir Verständnis für die Maßnahme zeigten und uns freundlich mit ihnen unterhielten. Nach einer Viertelstunde war unsere Einreiseberechtigung überprüft, und wir durften weiterfahren. Gott sei Dank benutzte der Beamte sein privates Handy für die Überprüfung und wartete nicht darauf, bis er einen freien Funkkanal in seinem Einsatzwagen bekam.

Unter Missachtung der belgischen Höchstgeschwindigkeit erreichten wir in wenigen Minuten Lüttich. Der gutgemeinte Rat von Rolf, sich vor den Fahrkünsten der Belgier und Holländer in Acht zu nehmen, verhallte bei mir ungehört. Keine Schwäche zeigen, hieß es im Stadtverkehr von Lüttich, und so hielt ich unter Benutzung der Hupe und Missachtung der Vorfahrtregelung einfach drauf. Durch gute Beschilderung erreichten wir ziemlich schnell einen abgesicherten Parkplatz in der Nähe des Stadions, parkten das Auto und liefen erst einmal durch Lüttich. Überall deutsche Fans. Die Stadt selber ist eine missglückte Mischung aus Alt- und Neubauten, direkt an der Maas gelegen. Ich fand sie hässlich, aber Ingo mochte sie. Nachdem Tanja und Rolf, die keine Karte hatten, in einer Kneipe mit Fernsehempfang abgeliefert worden waren, fuhr ich mit Ingo ins Stadion.

Die Tribünenplätze waren sehr gut und wir genossen die Atmosphäre der Euro 2000. Die Akustik im Stadion war miserabel, so dass wir trotz der zahlreichen deutschen Fans von der Stimmung nichts mitbekamen. Im Hintergrund dampfte der Schornstein des dortigen Stahlwerks, so dass man sich fast "auf Schalke" wähnte. Das Spiel war grottenschlecht und am Ende wusste ich nicht, ob ich über das Unentschieden glücklich oder traurig sein sollte.

Schweigsam fuhren wir nach Aachen zurück, denn es konnte nur noch besser werden. Den kommenden Tag nutzte ich, noch einmal nach Lüttich zu fahren, um mir dort einige der Restkarten für das Viertelfinale zu sichern. Dort wurde nur Bargeld akzeptiert und mit 10.000 belgischen Franc bewaffnet, konnte ich die letzten beiden Karten für das Viertelfinale in Brüssel ergattern. 250 DM + Vorverkaufsgebühr für eine Karte der Kategorie 1 ist irgendwo eine Sauerei. Aber man muss sich wohl leider von dem Gedanken verabschieden, dass derartige Turniere für den einfachen Fan gemacht sind.

Gespannt vergingen die Tage bis zum kommenden Sonnabend, an dem das Spiel der Spiele in Charleroi/Belgien stattfand. Deutschland gegen England. Allein die Nennung dieser Paarung elektrisierte uns alle. Zwischenzeitlich war Bruce, ein gemeinsamer Bekannter aus der Fußball-Newsgroup "drsf" im Internet, zu uns gestoßen.

Bruce kann man nicht beschreiben, man muss ihn erlebt haben. Er ist wohl der letzte existierende Hippi, ein Physiker, der gerade seine Habilitation eingereicht hat, und nun über viel freie Zeit verfügt. Darüber hinaus ist er Amerikaner aus Texas und Bayern-Fan. Hippi und Bayern-Fan, wie passt das zusammen? Ich weiß es nicht, aber Bruce ist der Beweis dafür, dass es funktioniert.

Gemeinsam mit weiteren Nutzern von drsf, die nach Aachen gekommen waren, fuhren wir mit dem Zug nach Charleroi.

Eine sehr positive Erfindung der Euro 2000, die auch bei weiteren Turnieren wiederholt werden sollte, waren die sogenannten "Befoot-Tickets". Jeder, der im Besitz einer Eintrittskarte war, konnte für den Spieltag ein solches erwerben. In Belgien kostete es umgerechnet 25 DM und in Holland war es kostenlos. Mit diesen Tickets konnte man sämtliche Fernzüge und Nahverkehrsmittel innerhalb Hollands und Belgiens kostenlos benutzen.

Auf der Zugfahrt unterhielten wir uns mit einigen Engländern aus Liverpool. Erinnerungen an die Euro 96 kamen hoch. Auch damals war ich beim Halbfinale England gegen Deutschland in Wembley dabei. Von der Stimmung und der Dramatik her ist jede Minute dieses Spiels in meiner Erinnerung haften geblieben. Ich habe bis heute - selbst alle Höhen und Tiefen mit Hertha eingeschlossen - nichts Besseres erlebt. Wir waren überzeugt, die drei Punkte gegen England zu holen.

In Charleroi angekommen, wurden wir gleich am Bahnhof von der belgischen Polizei empfangen. Eintrittskartenkontrolle und Leibesvisitation musste jeder über sich ergehen lassen und sodann wurden Engländer und Deutsche in verschiedene Richtungen zum Stadion geschickt. Auf halbem Wege kamen wir an eine Bude, an der Bier ausgeschenkt wurde. Jeder bewaffnete sich mit 2 Bieren und wir setzten uns auf die dortige grüne Wiese. In der Innenstadt soll es Ausschreitungen englischer Hooligans gegeben haben, jedoch haben wir davon nichts mitbekommen. Alles war friedlich.

Einige 100 Meter weiter war eine sogenannte Fan-Botschaft. Die Fanbeauftragten der deutschen Bundesligavereine verteilten dort ein Fanzine mit nützlichen Informationen zu den Austragungsorten der EM-Spiele. Mit Handschlag konnte ich dort auch unseren Beauftragten Carsten Grab begrüßen. Wir kannten uns bereits von diversen Auswärtsspielen der Champions-League.

Auch er gab uns noch nützliche Informationen und wir gingen weiter Richtung Stadion. Dieses liegt mitten in einem Wohngebiet und die steilen Tribünen wirkten schon von weitem richtig beängstigend. Unsere Plätze waren in der untersten Reihe direkt hinter dem Tor, die Spieler also auf Rufweite entfernt. Beckham, Schools, Seaman oder Owen wurden von uns entsprechend beschimpft. Einzelheiten wiederhole ich hier lieber nicht. Um es kurz zu machen: die Stimmung war Klasse! Die Akustik des sehr kleinen Stadions unterstützte dieses.

Es ist jedes Mal ein Erlebnis, wenn die komplette englische Kurve aufsteht und ihr "Rule Britannia" singt. Die Stimmung in der deutschen Kurve war ebenfalls gut, obwohl einige Fans vom 1.FC Köln, VfL Bochum und Schalke 04 sich als wahre Stimmungstöter entpuppten. Unsere Mannschaft dominierte das Spiel und dementsprechend waren die englischen Fans ruhig und wir sangen. Höhepunkt war der Gesang der gesamten deutschen Kurve in Richtung der Engländer: "You only sing when you're winning".

Durch einen dummen Fehler von Babbel - wen auch sonst - ging das Spiel bekanntermaßen 0:1 verloren. Unverdient, und so waren wir die gesamte Rückfahrt geladen.

Eine weitere positive Einrichtung der Euro war der sogenannte "Supporter-Train". Ein Sonderzug, der nach Spielschluss alle deutschen Fans in die deutschen Städte nahe der Grenze fuhr. Gegen zwei Uhr erreichten wir wieder Aachen.

Die folgenden Tage begleitete uns ein Gefühl zwischen Hoffen und Bangen. Natürlich haben auch wir ständig gerechnet, wie wir es noch packen können. England muss verlieren, und wir müssen mit zwei Toren Differenz gewinnen. Nicht leicht, aber doch möglich.

Am Dienstag war es dann endlich soweit. Da einige noch arbeiten mussten, haben wir vereinbart, in zwei Gruppen zu fahren. Die Bahnverbindung von Aachen nach Rotterdam war nicht die beste. Von einem speziellen "Supporter-Train" war nichts bekannt. So entschlossen wir uns, mit dem Auto bis Eindhoven zu fahren und dort den Zug bis Rotterdam zu nehmen. Ingo, Bruce und ich fuhren frühmorgens los, der Rest sollte am Nachmittag in Rotterdam dazustoßen.

Die Strecke von Aachen bis Eindhoven haben wir in einer halben Stunde geschafft. Über die Fahrkünste der Holländer war mir schon einiges bekannt, aber was ich auf der Autobahn erlebt habe, hat meine bisherigen Erfahrungen mit holländischen Autofahrern getopt. "Schwarze Schrift auf gelbem Grund, halte Abstand, bleib gesund!" schoss es einem bei der Vielzahl der gelben Nummernschilder der Holländer in den Kopf. Nur mit viel Glück konnten wir dem "Attentat" eines holländischen LKWs entgehen. Bösartige Zungen behaupten, dass holländische Nummernschilder in Wirklichkeit weiß seien, sie aber für jeden Verkehrsverstoß einen gelben Punkt aufs Nummernschild bekämen.

Wir suchten ein Parkhaus in der Nähe des Bahnhofs in Eindhoven. Leider fanden wir keins, so dass wir mein Auto direkt vor dem Bahnhof parkten. So ganz wohl war mir dabei nicht, denn ich befürchtete, dass einige verrückte PSV-Fans mein Auto wegen meines deutschen Nummernschildes und des Nummernschildhalters von Hertha BSC demolieren könnten.

Nach einer einfachen Zugfahrt von einer Stunde erreichten wir Rotterdam. Eine wirklich hässliche Stadt. Vorbildlich wieder die diversen Stände des Komitees der Euro 2000 am Bahnhof, wo einem ein Stadtplan, Infos über die Stadt und weitere nützliche Informationen übergeben wurden. Wir entschieden uns dafür, Richtung Hafen zu laufen, eine Hafenrundfahrt zu machen und dann auf die anderen zu warten. In meinem Rucksack hatte ich ein paar Dosen alkoholfreies Bier, um die 32 °C zu überstehen. Zu dritt teilten wir uns gerade eine Dose "Kelts", als uns die Polizei anhielt. Aufgrund der Notverordnung sei das Trinken von Bierdosen in der Öffentlichkeit verboten. Auch der Hinweis, dass es alkoholfreies Bier sei, half da nichts. Ich müsse es abgeben und dürfe 10 Meter weiter im Straßencafé ein alkoholisches Bier trinken. Den Sinn dieser Regelung konnte man mir nicht erläutern. Verrückt! Ich denke, durch diese Regelung sollte der Umsatz der Rotterdamer Gastronomen gesteigert werden.

Etwas angesäuert liefen wir Richtung Hafen, an der Fan-Botschaft vorbei. Ein kurzes "Hallo" zu Carsten Grab und einige Infos über die Rückfahrtzüge eingeholt. Am Hafen angekommen, setzten wir uns in ein gemütliches Straßencafé, um auf die anderen zu warten. Das Bier (belgisches der Marke "Duvel") war ganz ordentlich. Wie der Name schon sagte, steckte der Teufel in der Flasche. Etwas zu schwungvoll eingegossen und das Zeug schäumte wie der Teufel. Nach und nach stießen die restlichen Aachener, die portugiesischen Freunde von Ingo sowie der uns aus der Newsgroup bekannte Kölner Geißbock-Maniac Stephan sowie die uns ebenfalls aus der Newsgroup bekannten Dortmunder Jens und Alex zu uns. Es wurde ein lustiger Haufen, der zusammen viel Spaß hatte.

Für das Spiel hatte ich zwei Karten, so dass ich eine loswerden musste. Stephan, der FC Kölle-Fan, wollte diese Karte haben. Ich habe sie ihm auch zum Originalpreis verkauft, jedoch nur unter der Bedingung, dass er auf Knien meinen Hertha-Schal küsst, was er unter dem Gelächter aller Anwesenden auch tat. Spätestens seit unserem Abstieg 1980 wissen wir, dass sich Kölner öfter mal prostituieren.

Mit der Straßenbahn fuhren wir zum Stadion. Zu unserer Überraschung wurden alle Busse und Bahnen weit vor dem Stadion gestoppt, so dass wir noch einmal zwanzig Minuten laufen mussten. Das Stadion "de Kuip" (die Schüssel) ist eine hässliche Schüssel mit bescheidener Akustik. Mehr will ich über dieses Spiel nicht sagen, weil sonst die Wut wieder in mir hochsteigt. Nur so viel, es war die Demontage einer einstmals großen Fußballnation!

Dementsprechend war auch die Rückfahrt. Chaos am Bahnhof, weder die holländische Polizei noch das Bahnhofspersonal wusste, welcher Zug wohin fährt. Nach zwanzig Minuten endloser Fragerei und Diskussion saßen wir im richtigen Zug nach Eindhoven. Fassungslose Wut stand uns allen im Gesicht geschrieben.

Gott sei Dank stand mein Auto am Bahnhof unversehrt, so dass wir gegen zwei Uhr wieder in Aachen waren. Das Trauma dessen, was wir gesehen hatten, bereitete uns eine beinahe schlaflose Nacht. Als wir am nächsten Morgen auch noch Bilder vom Zechgelage unserer Nationalspieler sahen, stieg unsere Wut ins Unermessliche.

Zu allem Überfluss hatte ich für den stolzen Preis von 500 DM auch noch zwei Karten für das Viertelfinale Rumänien gegen Italien. Die zu erwartende Stimmung in Stadion musste irgendwo zwischen Trauerfeier und Versammlung der Konkursgläubiger liegen. Tolle Aussichten.

Am Tag vor dem Viertelfinale hatte ich Geburtstag und Tanja organisierte eine spontane Überraschungsfeier für mich. Neben den ganzen Aachener Freunden kamen Stephan und Severin aus Köln sowie Hertha-Freundin Bianca, die gerade in Bonn eine Fortbildung hatte, und Hertha-Freundin Corinna aus Berlin. Das war eine schöne Überraschung und wirklich Klasse von allen. Hertha-Freundin Corinna wollte etwas von dem Feeling der Euro 2000 mitnehmen und begleitete mich am nächsten Tag zum Viertelfinale nach Brüssel. Bruce kam ebenfalls mit. Wir wollten mit dem "Thalys" - der belgischen Variante des ICE - um 9 Uhr 45 ab Aachen fahren. Bruce ließ es sich nicht nehmen, um 9 Uhr 20 erst einmal ausgiebig zu duschen. Irgendwie schafften wir es, gerade noch so den Zug am Aachener Hauptbahnhof zu erwischen.

Die Altstadt von Brüssel ist an sich sehr schön, aber außer ein paar italienischen Fans waren kaum Fußballfans zu sehen. Der Tag war begleitet durch jede Menge Situationskomik mit Bruce, über die wir hier allerdings wohlwollend schweigen. Überall versuchten Deutsche und Belgier ihre Karten für das Viertelfinale loszuwerden. Bruce traute sich nicht, eine solche Karte zu kaufen, weil er sich auf Grund der angekündigten Sanktionen gegen Schwarzmarkthändler bereits den Rest seines Lebens im belgischen Gefängnis sah. So entschloss er sich, das Spiel in einer Bar am Stadion zu sehen.

Das König-Boudoin-Stadion ist das ehemalige Heysel-Stadion, wo 1983 beim Landesmeister-Pokalfinale zwischen Liverpool und Juventus Turin einige Menschen ums Leben kamen. Es ist zwischenzeitlich völlig umgebaut und modernisiert worden. Mir hat das Stadion richtig gut gefallen. Die Stimmung war, wie erwartet, mies. Wir waren uns einig, dass Rumänien die bessere Mannschaft war und Italien glücklich gewonnen hat.

Am U-Bahnhof trafen wir wieder Bruce und fuhren zum Hauptbahnhof. Auf einer Anzeigetafel sahen wir, dass in fünf Minuten ein Zug nach Aachen fahren würde. Da gibt es nur eins: Beine in die Hand und ab zum Bahnsteig. Aber nicht Bruce: er fragte erst einmal, ob man für diesen Zug ein Ticket bräuchte. Nun ist jedem klar, dass man ein solches im Zweifelsfalle auch im Zug nachlösen kann. Aber Bruce stellte sich an den vollen Fahrkarten-Schalter. Nach einer längeren Diskussion konnten wir ihn davon überzeugen, jetzt mit uns zum Bahnsteig zu kommen. Dort angekommen, sahen wir nur noch die Rücklichter des Zuges. Statt um 1 Uhr 20 in Aachen zu sein, mussten wir den "Supporter-Train" um 0 Uhr 30 nehmen, der um 3 Uhr 20 in Walkenried (etwa 10 km von Aachen entfernt auf der belgischen Seite) sein sollte. Bruce ging erst einmal zum Fahrkartenschalter und kaufte für 30 DM brav ein Ticket. Dass sich für dieses im Zug keiner interessieren würde, störte ihn nicht. Wenn alles daneben geht, kann man das nur noch mit Humor tragen. Corinna und ich alberten, sehr zum Leidwesen von Bruce, die ganze Zugfahrt über rum. Es war ein Zug etwa Baujahr 20, mit 36 Waggons und wir waren die einzigen, die in diesem Zug saßen. Irgendwann kam so etwas wie ein Schaffner vorbei, der uns aber nicht etwa nach Fahrkarten fragte, sondern uns bat, die Fenster zu schließen und das Licht auszuschalten, sobald wir am Endbahnhof angekommen seien. Corinna und ich prusteten laut los. Ich neckte Bruce mit dem Hinweis, dass er mit seinem Ticket diesen Zug wohl nicht benutzen dürfte. Er fragte besorgt nach, warum es Probleme geben könnte. Lachend erläuterte ich ihm, dass er für diesen Zug einen "Oldtimer-Zuschlag" benötige. Bruce lächelte gequält, während Corinna und ich wieder laut loslachten. Mit 80 km/h rumpelte der Zug durch Belgien. Uns fiel nichts Besseres ein, als die belgischen Ansagen im Zug zu imitieren. Mit belgischem Akzent riefen wir: "Belgish railways like to införm yü, that we ave reached now ourr maximüm speet!" Bruce, der sich dafür schuldig fühlte, dass wir in diesem Milchkannenexpress durch Belgien zuckeln mussten, hatte offensichtlich genug, so dass wir zu schlafen versuchten.

Irgendwann wachten wir auf. Der Zug war dunkel, es war still und wir standen auf einem Abstellgleis. Nach einem kurzen Telefonat holten uns Tanja und Ingo mit dem Auto ab. Um vier Uhr waren wir endlich im Bett.

Am nächsten Tag hieß es Abschied nehmen und die Heimfahrt nach Berlin antreten. Bruce blieb noch ein paar Tage länger. Er soll später seinen Zug in Aachen verpasst haben. Er hat zwei Minuten vor Abfahrt des Zuges versucht, am Fahrkartenschalter ein Ticket zu lösen...







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