Die Lage
(von Harald Tragmann)
Jede Serie geht einmal zu Ende, so auch Herthas Siegesserie, mit der sie zur Aufholjagd in die mittleren Ränge blies.
Aber zumindest lagen wir mit unserem Tip eines erneuten 2:0 gegen Spitzenreiter Kaiserslautern richtig, wenn das Stadion auch leider nicht ausverkauft war. Mit 61.445 Zuschauern konnten die Berliner ihren Zuschauerschnitt immerhin auf über 50.000 schrauben.
Steffen Karl sorgte bereits nach zwei Minuten für den fulminanten 1:0 Auftakt mit einem Freistoßtor aus 18 Meter Entfernung, bei dem Torhüter Reinke nicht sehr glücklich aussah. Preetz verwandelte eine Veit-Eingabe von links zum 2:0 Endstand in der 71. Minute und brachte Hertha auf beruhigende 25 Punkte zur Winterpause.
Zwei Wochen zuvor bereits hatte Preetz mit seinem 1:0 in der 22. Minute beim MSV Duisburg für den dritten Auswärtssieg gesorgt. Hertha schraubte damit seine Serie auf sieben Spiele ohne Niederlage, wobei man nur in der Partie gegen Bayer Leverkusen Punkte lassen mußte und sonst alles gewann.
Bei den letzten beiden Auswärtsspielen des abgelaufenen Jahres lief es dann nicht mehr so glücklich. Zunächst verlor Hertha in Dortmund klar mit 0:3, wobei der frischgebackene Weltpokalsieger nichts anbrennen ließ.
Drei Tage später dann auf dem Gladbacher Bökelberg sah die Situation schon ganz anders aus, denn Covic und Preetz brachten Hertha bereits nach fünf bzw. sieben Minuten mit 2:0 in Führung, doch Klinkert in der 11. Minute und Pflipsen in der 36. Minute sorgten für den vorübergehenden 2:2 Halbzeitstand. Effenberg (69.) und Pedersen (80.) trafen dann noch zum 4:2 Endstand, als Hertha die Kräfte verließen.
Sicherlich hat sich so mancher über den späteren Ausgang dieses Spieles geärgert, zumal ja bereits in der Hinrunde eine 2:0 Führung gegen Mönchengladbach verschenkt wurde. Aber wer konnte nach der zuvor hingelegten Serie ernsthaft böse sein, hatte sich doch Hertha an den eigenen Haaren wieder aus dem Abstiegskeller gezogen und die Hoffnungen auf den Verbleib in der Bundesliga wieder in die Höhe schnellen lassen.
Zwangsläufig mußten auch mal die Kraftreserven aufgebraucht sein, und so kam die Winterpause gerade recht.
Eindeutiger Gewinner dieser Serie ist wohl Michael Preetz, der mit sieben Toren erheblich zum Erfolg beitrug. Die Partien, in denen er traf, wurden auch gewonnen, erst bei seinem siebenten Tor hieß es nicht mehr: "Wenn Preetz trifft, gewinnt Hertha auch."
Doch auch Kjetil Rekdal gehört zu den wichtigen Stützen im Team, der mit seiner Spielübersicht einen Garant für Herthas Erfolg darstellt. Nicht zu vergessen Marc Arnold, der nach der Verletzung von Brian Roy zur Höchstform auflief und aus Herthas Mittelfeld nicht mehr wegzudenken ist.
Doch die Winterpause kam zur rechten Zeit, um neue Kraft zu tanken und sich zusätzlich für die letzten 14 Spiele zu verstärken. So wurde zunächst Andreas Neuendorf (22 Jahre) von Bayer Leverkusen für 2,5 Jahre an Hertha gebunden. Noch verletzt, stellt er jedoch erst für die kommende Saison eine Verstärkung dar, wobei Bayer Leverkusen nach Ablauf des Vertrages Neuendorf zurückerhält.
Das Trainingslager wurde wie im Vorjahr in Portugal bezogen, wo die Mannschaft wieder entsprechend vorbereitet werden sollte. Zuvor jedoch sorgte noch ein Blitztransfer für Schlagzeilen in der Berliner Presse. Ex-Nationalspieler Andreas Thom, der zu Saisonbeginn noch 5 Millionen DM kosten sollte, wurde in Windeseile auf die Transferliste gesetzt und für 800.000,- DM von Celtic Glasgow zu Hertha BSC transferiert. So konnte der Ex-Leverkusener und Ex-Dynamo-Spieler noch rechtzeitig im Trainingslager erscheinen, um sich gemeinsam mit seinen neuen Kameraden auf die nächsten Gegner einzustellen. In Anbetracht der kurzen Zeit und der konditionell guten Verfassung der Spieler legte Trainer Röber diesmal mehr Wert auf Stärkung des Zusammenspiels, was auch in drei Testspielen geübt werden sollte.
Im ersten Testspiel trat Hertha gegen die Nationalelf von Angola an, gegen die Andreas Thom sein Debüt im blau-weißen Trikot lieferte. Riß er auch noch keine Bäume aus, war er dennoch recht zufrieden mit seinem Auftakt, hatte er doch auch noch die vielen Flüge der Transferverhandlungen in den Knochen. Dafür konnte Preetz erneut glänzen, als er kurz vor Halbzeitpfiff einen Karl-Freistoß zum 1:0 abstaubte, nachdem der angolanische Torhüter den Ball nur abgeklatscht hatte. In der 85. Minute sorgte Alphonse Tchami für das 2:0 Endergebnis.
Bis auf Carsten Lakies und Christian Fiedler setzte Jürgen Röber alle noch vorhandenen Spieler ein. Marcel Rath (Cottbus), Gunnar Sauer (Leipzig) und Hasan Vural (Uerdingen) verließen bereits vor dem Trainingslager das Team.
Mit 5:0 besiegte Hertha den zweiten Testgegner: Wladikawkas aus Rußlands erster Liga. Über die hohe Niederlage sichtlich erbost, schließlich hatte man in der Champions League gegen Dortmund nur mit 1:2 verloren, wurden die Russen schnell ruppig, und stießen nicht nur mit rüden Fouls, sondern auch mit Handgreiflichkeiten auf entsprechendes Unverständnis bei ihren Gegnern.
Thom und Preetz wurden zu den Matchwinnern, sah man doch vor allem, wie gut die beiden miteinander zurechtkamen. Nach 22 Minuten traf Michael Preetz nach Vorlage von Karl zum 1:0 und drei Minuten später hatte Thom seinen ersten großen Auftritt. Nach Arnold-Paß stellte er seine Sprintstärke unter Beweis, umspielte den Torwart und erzielte das 2:0. 15 Minuten später legte er nochmal nach und traf zum 3:0. In der 47. Minute kam Herthas neues Traum-Duo zum Zuge. Thom paßte von rechts auf Preetz, der zum 4:0 vollendete. Covic schließlich sorgte in der 52. Minute mit einem Solo für den 5:0 Endstand. Danach begannen die Russen ihre rüden Attacken und Trainer Röber wechselte Andreas Thom vorsorglich aus. Dennoch mußten Rekdal und Dinzey verletzt das Feld verlassen.
Im dritten und letzten Testspiel traf Hertha auf den tschechischen Meister Sparta Prag. Bereits in der sechsten Minute hätte Michael Preetz per Elfmeter nach Foul an Thom das 1:0 erzielen können, doch der zu lasch geschossene Ball wurde vom Sparta-Keeper entschärft. In der 23. Minute hatte Preetz dennoch Grund zur Freude. Nach einem Freistoß von Karl köpfte er den Ball links in die Ecke zum 1:0, was gleichzeitig auch den Endstand bedeutete. Doch auch ohne Tor bereitete gerade Andreas Thom dem Beobachter viel Freude, war er doch vom Gegenspieler kaum unter Kontrolle zu kriegen und bei seinen Angriffen immer brandgefährlich.
Im übrigen hatte Wolfsburg zwei Tage zuvor gegen den gleichen Gegner nur ein 0:0 erreicht. Hoffentlich ein gutes Omen für das Auftaktspiel gegen den VfL Wolfsburg am 31. Januar im Olympiastadion.
Alles in allem war das Trainingslager sehr zufriedenstellend und gerade Andreas Thom scheint sich als echte Verstärkung für die Berliner herauszustellen.
Nun hat Jürgen Röber noch mehr Auswahl an guten Spielern und auch bei Verletzungen Zugriff auf eine große Ersatzbank. Wichtig wird es aber vor allem sein, gleich das erste Spiel gegen Wolfsburg (fand nach Redaktionsschluß dieser Ausgabe statt) zu gewinnen, um nicht wieder in die unteren Ränge abzurutschen.
Hoffen wir auf eine rege Unterstützung der Berliner in diesem Spiel, aber in Anbetracht dessen, daß das Spiel gegen Bayern München am 14. Februar bereits ausverkauft ist, dürfte auch die Nachfrage für den 31.1. stark angestiegen sein, zumal viele den Neuzugang Thom in Aktion sehen wollen.
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